Nur ein altes Buch
Was bringt es, sich mit einem so alten Buch zu beschäftigen?
Die Bibel ist alt, aber nicht veraltet. Sie ist eine bunte Sammlung von 73 Schriften, gewachsen in 1000 Jahren. Sie enthält einen ungeheuren Schatz an Lebens- und Glaubenserfahrungen – von Menschen unterschiedlicher Zeiten durchlebt, durchbetet, weitererzählt und schließlich niedergeschrieben. Wer heute in der Bibel liest, wird hineingenommen in ein lebendiges, oft auch befremdliches Ringen mit der letzten Tiefe unseres Lebens, mit jener Wirklichkeit, die wir „Gott“ nennen. Dieses Ringen drückt sich literarisch sehr unterschiedlich aus: in Erzählungen, Liedern, Prophetenworten, Geboten, Lebensweisheiten ... – ja sogar ein erotisches Liebeslied ist darunter! Die Bibel ist so bunt und poetisch wie das Leben.
Ist die Bibel das Wort Gottes?
Katholischer Glaube sagt: Die Bibel ist „Heilige Schrift“, nicht von Gott diktiert, aber von Gott inspiriert, also von seinem Geist angeregt und beseelt. Durch die menschlichen Schriftsteller der Bibel (und ihre zeitbedingten Ausdrucksweisen) „spricht“ Gott bis heute mit uns. Am deutlichsten geschieht das durch Jesus Christus. Er ist für uns das Wort Gottes in Person.
Vieles in der Bibel klingt fremd. Welche Hilfen zum besseren Verständnis gibt es?
Nicht alle „Sprachspiele“, Gleichnisse und Symbole der Heiligen Schrift erschließen sich einem sofort. Um tiefer verstehen zu können, braucht es oft geduldiges Hinein-Hören, spirituelle Offenheit und auch etwas Fachwissen. Klassische Bibelkreise werden in vielen Pfarren angeboten, aber es gibt auch neue kreative Formen der Bibel-Arbeit. Das Pastoralamt der Diözese informiert darüber gerne. Keinesfalls ist die Bibel nur für Theologen und Sprachwissenschaftler da, sondern für alle, die in ihrem Leben nach Tiefe und Orientierung suchen.
Was ist die Kernaussage der Bibel?
Die Bibel ist vielstimmig, auch kontrastreich, aber mit deutlicher Grundmelodie: Unsere Welt und unser Leben sind in guten Händen. Wir dürfen dieser Güte vertrauen und daraus leben; sie ist letztlich stärker als alles Leid, menschliches Versagen, ja sogar der Tod.
Text: Karl Veitschegger, Theologe und Religionspädagoge